Die letzte Saat
Ludwig Bechstein

Teil 1 von Ludwig Bechstein

Bei Mülheim, nahe dem Rhein, lag vorzeiten ein Kloster namens Dünnwald, das war in Streit geraten über hundert Morgen Ackerlandes mit einem nachbarlichen Edeln, Junker Hall von Schleebusch. Das Kloster wie der Junker sprachen dieses große Grundstück als Eigentum an, doch hatte es der Junker im Besitz, aber alle Nutzung verzehrten die Kosten des vor Gericht geführten Rechtsstreites, die Anwälte, die Fürsprecher, die Richter, die Schöffen, die Schreiber.
Da bot endlich der Junker Hall von Schleebusch gütlichen Vergleich an und sprach zu den frommen Vätern des Klosters Dünnwald: Fromme Väter, ich bin des langen Haders müde, der uns beiderseits nicht frommt. Die hundert Morgen sollen fürder und künftig für alle Zeiten des Klosters Eigen sein, nur eins bedinge ich: noch einmal eine, und zwar die letzte Aussaat.

Ist die zur Ernte reif und gediehen und eingebracht, so begebe ich mich jedes Anspruchs an die hundert Morgen. - Der Himmel stärke Euch, edler Junker, in solch frommem Entschluss, sprach der Abt, doch seid Ihr wohl so gnädig, dieses Versprechen uns schriftlich zu geben. - Darauf wurde ein Brief auf Pergament doppelt geschrieben und ausgefertigt, und der Junker hing sein Siegel in Wachs daran, und der Abt des Klosters das seine, und das große Konventsiegel kam auch noch hinzu, und das des Priors, und noch zwölf Siegel erbetener ritterlicher Zeugen, und war ein sehr schöner Brief, diese Schenkungsurkunde auf ewige Zeiten nach der Ernte der letzten Aussaat, die noch des Junkers sein sollte.

Teil 2 folgt am 4. Advent

Quelle: Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 91. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000453557X Lizenz: Gemeinfrei